Mobilfunkanbieter müssen Kunden vor hohen Roamingkosten warnen, so das LG Kleve. Wenn dies nicht geschieht, muss der Kunde die anfallenden Verbindungskosten nicht bezahlen. Konkret ging es um die Nutzung eines Handys mit Flatrate-Tarif im grenznahen Bereich, wobei anscheinend unbewusst regelmäßig ausländische Netze verwendet wurden, was zu einer Rechnung in Höhe von 6.180 € führte. Da der Kunde sich weigerte, diesen Betrag zu begleichen, erhob der Mobilfunkanbieter Klage vor dem LG Kleve und unterlag. Nach Auffassung des Gerichts hätte der Mobilfunkanbieter, unabhängig davon, ob das Handy tatsächlich nur im grenznahen Bereich oder auch im Ausland genutzt wurde, seinen Kunden durch SMS oder per E-Mail vor den ungewöhnlich hohen Kosten warnen und sich vergewissern müssen, dass der Kunde den teuren Zugriff auf das ausländische Netz auch tatsächlich will:
Nach Auffassung der Kammer ist es unerheblich, ob der Beklagte tatsächlich das Internet aus dem Ausland in Anspruch genommen hat oder ob die Nutzung des ausländischen Netzes wegen der Grenznähe erfolgt ist. In jedem Falle war es Aufgabe der x, den Beklagten, der offensichtlich seine Telefonkosten durch die Vereinbarung einer Flatrate niedrig halten wollte, darauf hinzuweisen, dass er durch die Inanspruchnahme des ausländischen Netzes exorbitant hohe Kosten verursacht. Diese Nebenpflicht der x aus dem Dienstvertrag ergibt sich aus ihrer gegenüber dem Nutzer des Mobilfunknetzes überlegenen Sachkunde. Die x kann nicht ihre Betreiber darauf verweisen, durch Eingriff in die Hardware – wozu im Zweifel nicht jeder Nutzer in der Lage ist – selbst dafür Sorge zu tragen, dass nicht ungewollt ein Einwählen in ausländische Netze stattfindet. Die Klägerin kann den Beklagten auch nicht darauf verweisen, es sei aus dem Display (des Mobiltelefons) erkennbar, wenn ausländische Netze genutzt würden. Für den durchschnittlichen Benutzer erschließt sich daraus nicht ohne Weiteres, dass hierdurch exorbitant hohe Durchleitungsgebühren entstehen. Für die x war es demgegenüber technisch ohne Weiteres möglich, den Beklagten, nachdem er die vereinbarte Flatrate von 25 Euro erheblich überschritten hatte, durch SMS oder email vor den ungewöhnlich hohen Kosten zu warnen und sich zu vergewissern, dass der Beklagte den teuren Zugriff auf das ausländische Netz auch tatsächlich will. Diesem Rechtsgedanken hat die Europäische Union in der EU-Roaming-Verordnung auch Rechnung getragen, weil gerade in Fällen wie dem vorliegenden den Kunden hohe Durchleitungsgebühren (sog. “Schock-Rechnungen”) berechnet worden sind. So war bereits vor dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt ab dem 01.07.2009 eine Senkung der Höchstgrenze der europäischen Durchleitungsgebühren in Kraft getreten; diese betrugen für aktive Gespräche 43 Cent und für passive Gespräche 19 Cent zzgl. Mehrwertsteuer. Darüber hinaus wurde durch die geänderte Roaming-Verordnung eine Kostenobergrenze eingeführt, um unerwartet hohe Rechnungen bei der Benutzung von Daten-Roaming-Diensten zu verhindern. Ziel der Roaming-Verordnung ist u.a. der Schutz der Verbraucher vor Auslandstarifen, die im Vergleich zu den inländischen Preisen ungerechtfertigt hoch sind. Seit dem 01.03.2010 müssen die Betreiber eine Funktion zur Verfügung stellen, mit der die Verbraucher im Voraus den Höchstbetrag festsetzen können, den sie für die Auslandsnutzung von Datendiensten ausgeben wollen. Der Verbraucher erhält zunächst beim Erreichen von 80 % dieses Höchstbetrages einen Warnhinweis, und nachdem der Höchstbetrag erreicht ist, muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, diese Dienste dennoch weiter in Anspruch zu nehmen. Ab 01.07.2010 gilt für alle Kunden, die keine andere Obergrenze gewählt haben, standardmäßig eine Kostenobergrenze von 50 Euro zzgl. MWSt. (Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Zwischenbericht über den Entwicklungsstand der Roamingdienste in der Europäischen Union vom 29.06.2010 – zitiert nach JURIS).
Die x wäre, da ihr auch vor Erlass der Roaming-Verordnung eine solche Warnung unschwer möglich gewesen wäre, schon im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet gewesen, den Beklagten durch eine solche Warnung vor nicht gewollter, weil teurer Nutzung ausländischer Netze zu schützen. Unter dieser Prämisse kann die Klägerin, da die Zedentin dem Beklagten eine solche Warnung nicht hat zukommen lassen, nur der vereinbarte Flatratebetrag von 25 Euro zugebilligt werden.
LG Kleve, Urteil vom 15. Juni 2011 – 2 O 9/11