Wer sich ausbittet, vor einer Abmahnung kontaktiert zu werden, muss seinen Mitbewerbern denselben Gefallen erweisen, denn alles andere wäre widersprüchlich, so das OLG Hamm in einem aktuellen Urteil:
c) Darauf kommt aber nicht entscheidend an, weil die Abmahnung hier nicht berechtigt war, weil sie –jedenfalls so – auch im Hinblick auf die Erstattung von Anwaltskosten nicht erforderlich gewesen wäre, um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Bereits ein Vorabkontakt durch die Klägerin selbst hätte hier ausgereicht, um eine förmliche Abmahnung durch einen Anwalt und den damit verbundenen Anfall von erheblichen Kosten ebenso zu vermeiden wie ein gerichtliches Verfahren. Zwar stellt § 12 Abs. 1 UWG nicht nur klar, dass der zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs berechtigte Mitbewerber grundsätzlich nicht nur sofort abmahnen kann, sondern auch abmahnen soll, um ein gerichtliches Verfahren möglichst zu vermeiden. Ein kleines Unternehmen, das über keine eigene Rechtsabteilung verfügt, kann die Abmahnung auch grundsätzlich durch einen Rechtsanwalt aussprechen lassen. Das ändert aber nichts daran, dass Mitbewerber im Einzelfall vereinbaren können, vor einer formellen Abmahnung durch einen Rechtsanwalt miteinander Kontakt aufzunehmen und auf ein aus Sicht eines Mitbewerbers als wettbewerbswidrig angesehenes und zu unterlassenes Verhalten hinzuweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, das Verhalten ohne den Anfall weiterer Folgekosten sofort einzustellen. Solche Absprachen sind dem Senat schon wiederholt in anderen Fällen bekannt geworden. Zwar haben die Parteien hier eine Vereinbarung solcher Art unstreitig nicht getroffen. Einem Erstattungsanspruch der Klägerin steht hier aber der Grundsatz von Treu und Glauben im Hinblick auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB) entgegen. Der Grundsatz ist hier anwendbar, weil jedenfalls nach dem Klägervortrag eine durch einen Wettbewerbsverstoß des Beklagten entstandene Rechtsbeziehung als rechtliche Sonderverbindung zwischen den Parteien anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung gilt in diesem Bereich des Wettbewerbsrechts, dass sich aus § 242 BGB sogar Handlungspflichten, nämlich eine Verpflichtung zur Antwort und zu einem Hinweis auf eine eventuelle Drittunterwerfung ergeben können (vgl. BGH GRUR 1987,54, 55 -Aufklärungspflicht des Abgemahnten, BGH GRUR 1990,381 -Antwortpflicht des Abgemahnten, Senat 4 U 64 / 10 – Aufklärungspflicht des Hingewiesenen). Die Klägerin muss sich deshalb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob im Rahmen dieser Sonderverbindung eine solche Absprache getroffen worden wäre, weil ihr Verhalten ansonsten einen unauflösbaren Selbstwiderspruch darstellen würde.
d) Die Klägerin verlangt von ihren Mitbewerbern, dass diese sich nach der Entdeckung von Wettbewerbsverstößen zunächst im Rahmen eines Vorabkontakts selber an sie wenden sollen, um eine kostenträchtige anwaltliche Abmahnung zu vermeiden. Sie droht an, sich im Falle einer sofortigen förmlichen Abmahnung durch einen Rechtsanwalt auf eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den abmahnenden Mitbewerber zu berufen. Auch wenn diese Einschätzung ohne eine gesonderte Vereinbarung der obigen Art rechtlich nicht zutreffend ist und dem abmahnenden Mitbewerber freisteht, sofort abzumahnen und die Kosten dafür erstattet zu verlangen, wird der rechtlich unkundige Mitbewerber in dieser Frage verunsichert und kann sich veranlasst sehen, die Klägerin vor einer anwaltlichen Abmahnung vorsichtshalber selber anzuschreiben. Derjenige, der eine solche Vorgehensweise von den Mitbewerbern unter Androhung einer Sanktion verlangt und diese dadurch zu einem bestimmten Verhalten veranlasst, muss sich dann auch selbst so verhalten. Er bindet sich mit einer solchen Verhaltensempfehlung in Bezug auf sein eigenes Verhalten in ähnlicher Weise, als wenn er sich vertraglich zu einem solchen Vorabkontakt verpflichtet hätte. Mit diesem zu erwartenden Verhalten setzt sich die Klägerin in rechtlich erheblicher Weise in Widerspruch, wenn sie unstreitig noch wiederholt Mitbewerber wie hier den Beklagten wegen eines bestimmten Anzeigeninhalts sofort durch einen Anwalt abmahnen lässt. Den Mitbewerbern wird die aus Rechtsgründen für erforderlich gehaltene Vergünstigung genommen, kostenneutral auf einen Wettbewerbsverstoß hingewiesen zu werden, die die Klägerin für sich in Anspruch nimmt. Für dieses widersprüchliche Verhalten sind auch keine Gründe ersichtlich. Das Begehren eines Vorabkontakts wird von der Klägerin ausdrücklich nicht auf einfache und unkomplizierte Wettbewerbsverstöße beschränkt, sondern soll für alle Mitbewerber und uneingeschränkt gelten. Der Beklagte konnte sich durchaus davon angesprochen fühlen und im Umkehrschluss auf ein gleichartiges Verhalten der Klägerin vertrauen. Die Klägerin ist im Falle einer solchen Selbstbindung auch nicht daran gehindert, die Berechtigung einer Abmahnung durch einen Anwalt prüfen zu lassen, dann allerdings auf ihre Kosten.
Da die Bitte um vorherigen Kontakt zudem (rechtlich) wirkungslos ist, sollte man sich diesen Satz sparen (was übrigens für die meisten pauschalen Disclaimer gilt).
OLG Hamm, Urteil vom 31. Januar 2012 – I-4 U 169/11