Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols ist derzeit offen. Dies entschied der 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) mit Beschluss vom 31.08.2011 im Anschluss an die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts und gewährte der Betreiberin eines Wettbüros im Kreis Göppingen unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe.
Die Antragstellerin vermittelt über eine Online-Standleitung Sportwetten an einen österreichischen Wettanbieter. Im August 2010 untersagte ihr das Regierungspräsidium unter Berufung auf das staatliche Sportwettenmonopol, in Baden-Wüttemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln oder hierfür zu werben. Ferner drohte es ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 € an. Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Erfolg. Das Berufungsverfahren beim VGH ruht seit Mai 2011. Bereits im Oktober 2010 hatte das Regierungspräsidium die Vollstreckung der Untersagungsverfügung vorläufig ausgesetzt. Im Mai 2011 teilte es der Antragstellerin jedoch mit, dass die Vollstreckung der Untersagungsverfügung wieder aufgenommen werde, weil sie nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis für die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen sei. Auf ihren Antrag gewährte ihr der VGH hiergegen vorläufigen Rechtsschutz.
Im gegenwärtigen Zeitpunkt könne nicht (mehr) davon ausgegangen werden, dass das im Glücksspielstaatsvertrag normierte staatliche Sportwettenmonopol mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar sei, heißt es in den Gründen des Beschlusses. Die Erfolgsaussichten des Berufungsverfahrens seien offen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidungen des Senats, in denen dieser das staatliche Monopol für rechtmäßig erklärt hatte, aufgehoben und an den Senat zurückverwiesen habe. In den anhängigen Berufungsverfahren müssten nun weitere Ermittlungen hinsichtlich der Werbung des Monopolträgers und hinsichtlich des Automatenspiels getroffen werden. Bis dahin seien Vollstreckungsmaßnahmen auszusetzen.
Die Untersagungsverfügung lasse sich entgegen der Annahme des Regierungspräsidiums nicht mit der nachgeschobenen Begründung aufrechterhalten, dass die Antragstellerin keine Erlaubnis für den Betrieb ihres Wettbüros besitze und wegen des Internetverbots auch nicht erhalten könne, entschied der VGH weiter. Der Erlaubnisvorbehalt für das Betreiben von öffentlichen Glücksspielen gelte zwar unabhängig von der Wirksamkeit des Sportwettenmonopols. Das Regierungspräsidium habe den Sachverhalt aber bisher nur unzureichend ermittelt und daher die individuellen, bei der Erteilung der Erlaubnis zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht hinreichend in den Blick genommen. Auch sei es unzulässig, die bisher auf das generelle Sportwettenmonopol gestützte Begründung für die Untersagungsverfügung im Laufe des Verfahrens durch völlig neue Erwägungen zu ersetzen.
Schließlich habe das Regierungspräsidium den gesetzlich angeordneten Sofortvollzug im Oktober 2010 wegen der bestehenden Rechtsunsicherheit selbst vorübergehend ausgesetzt und damit dem grundrechtlich geschützten Recht der Antragstellerin auf freie Berufsausübung sowie der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit trotz fehlender Erlaubnis den Vorrang vor der sofortigen Durchsetzung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags eingeräumt. Eine durchgreifende Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht habe sich zulasten der Antragstellerin in der Folgezeit nicht ergeben. Hinzu komme, dass der Glücksspielstaatsvertrag mit Ablauf des Jahres 2011 außer Kraft trete. Zwar habe das Land Baden- Württemberg nach Mitteilung des Antragsgegners mittlerweile vorsorglich ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, das die Fortgeltung des Glücksspielstaatsvertrags über den 31.12.2011 hinaus zum Gegenstand habe. Nach dem derzeitigem noch im Entwurfsstadium vorliegenden neuen Glücksspielstaatsvertrag vom April 2011 solle das staatliche Sportwettenmonopol jedoch für sieben Jahre nicht angewandt werden und im Rahmen einer Experimentierklausel ein Konzessionssystem eingeführt werden. Ob es letztlich zum Abschluss dieses Staatsvertrages kommt, lasse sich derzeit noch nicht abschätzen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (Az.: 6 S 1695/11).
Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. September 2011